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  Siam in lexikalischen Texten
 


Siamesische Frauen
Bangkok, um 1900



THAILAND

Das alte Siam
in lexikalischen Texten



Brockhaus Conversations-Lexikon
Bd. 5. Amsterdam 1809, S. 255.



Siam

Siam, ein merkwürdiges Königreich und eins der mächtigsten auf der Halbinsel von Ostindien, jenseit des Ganges, gränzt gegen Mitternacht an Laos, gegen Morgen an Tunkin, Cochinchina und Camboya, gegen Mittag an Malacca (in welchem Lande ihm auch einige Könige zinsbar sind) und den Meerbusen von Bengalen, gegen Abend an die Königreiche Ava und Pegu (s. dies. Art.). Es unterhält mit den Europäern, besonders mit den Holländern, starken Handel, der jedoch ganz in den Händen der äußerst despotisch regierenden Könige ist; das ganze Volk leidet unter ihrem Drucke ungemein, und ist in äußerste Dürftigkeit versunken, da es doch die vortrefflichsten Landeserzeugnisse an Gewächsen sowohl, als aus Bergwerken etc. hat. Die Einwohner theilen sich in Sclaven und Freie: doch auch letztere leben nicht viel besser als in der Sclaverei, indem sie dem Könige sechs Monathe hindurch die beschwerlichsten Frohnen thun müssen: allein ihre bewundernswürdige Gelassenheit, oder vielmehr Gefühllosigkeit, macht, daß sie alles Ungemach erdulden. Sie sind faul und betrügerisch, übrigens aber sehr mäßig und sparsam, und in vielen Stücken den Hindus ähnlich (s. Ostindien). Die herrschende Lehre ist die Talapoinische (s. Talapoinen); doch findet man auch katholische Missionen daselbst.








Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon,
Band 4. Leipzig 1841., S. 178-179.

Siam

Siam ist ein ehemals mächtigeres, jetzt sehr herabgekommenes Königreich der hinterind. Halbinsel. Es liegt in der Mitte derselben. Zwei Gebirgszüge trennen es westl. von Birma, östl. von Anam. Zwischen diesen liegt die eigentliche Hauptmasse des Landes, das Flußgebiet des Menam, seines Hauptstroms. Außerdem gehören noch der östl. Küstenstrich der Halbinsel Malakka bis zur Insel Tantalam, ein ähnlicher Küstenstrich auf der andern Seite des Meerbusens von S. und die Inseln dieses Meerbusens dazu. Die Grenzen gegen N. sind nicht genau zu bestimmen. Die Bodenfläche gibt man auf 4000 ! M., die Einwohnerzahl auf 2,800,000 an. Das Tiefland von Menam ist durch die jährlichen Überschwemmungen desselben sehr fruchtbar, die Gebirge aber eine noch gänzlich unbekannte Wildniß. In diesen findet man viele S. eigenthümliche Thierarten, als weiße Elefanten, weiße Affen, weiße Büffel, weiße Rehe. Die weißen Elefanten sind ein Gegenstand fast göttlicher Verehrung, und ein solcher wird stets am Hofe des Königs auf das prächtigste gehalten. Zahlreich sind auch andere wilde Thiere, als Bären, Tiger, Leoparden, Riesenschlangen. Die wichtigsten Producte des Pflanzenreichs sind Reis (fast der einzige Gegenstand des Anbaus im Großen); Mais, Zucker (erst durch die Chinesen eingeführt), Kaffee, Baumwolle, Betel, Pfeffer, Zimmet, Rosenholz, Tikholz u.a. Auch finden sich edle Metalle und edle Steine. Gewerbe und Kunstfleiß fehlen bis auf Weberei von baumwollenen und seidenen Zeuchen noch fast ganz, und auch der Handel, der größtentheils in der Hand von Fremden ist, wird durch den Despotismus sehr daniedergehalten. Die Einwohner, die sich Thoe, d.h. freie Leute, nennen, sind theils eigentliche Siamesen, mongolischer Abstammung, von dunkler, ins Röthliche spielender Hautfarbe, kleiner Gestalt, fast viereckigem Gesichte, flacher Stirne, kleinen und schiefen Augen und großem Munde mit dicken Lippen, theils Malaien, Chinesen, Hindus, Nachkommen der Portugiesen und Mischlinge. Von den Siamesen verschieden sind auch die im Innern und an den westl. und östl. Grenzen lebenden Kas, Laos, Cambodjaner und Peguaner. Die Religion [179] ist die buddhistische; die Priester heißen Talapoinen. Der Ritus hat, wie bei allen Bekennern des Buddhaismus, mit dem röm.-katholischen Ähnlichkeit. Der Zustand des Volkes ist noch sehr roh, der größte Theil geht noch beinahe nackt. Es zerfällt in Freie und Sklaven; erstere müssen indessen sechs Monate für den König frohnen. Der König ist ein unumschränkter Despot; er zeigt sich beinahe nie öffentlich, nur kriechend nahen sich ihm seine Minister, Todtenstille herrscht um seinen Palast, nur Weiber und Verschnittene umgeben und bedienen ihn. Die jetzige Dynastie herrscht seit 1782; vorher hatte das Land, soweit wir seine Geschichte verfolgen können, wechselnde Schicksale, und war mehrmals benachbarten Völkern, namentlich den Birmanen, unterworfen. Dabei wurden auch Verbindungen mit den Europäern angeknüpft, am meisten mit den Portugiesen, welche auch das Recht erhielten, die christliche Religion zu predigen. Es befinden sich daher noch in beiden Hauptstädten christliche Kirchen. Die jetzige Haupt-und Residenzstadt heißt Bankasai oder Bankok, unweit der Mündung eines Nebenarmes des Menam. Sie dehnt sich zu beiden Seiten desselben fast eine Meile weit aus, hat aber wenige Straßen, sondern besteht aus zerstreuten Häusern, die der Überschwemmung wegen auf Bambuspfählen erbaut sind, oder auf Flößen schwimmen. Die Stadt ist wichtig wegen des Handels, den indessen fast nur die hier ansässigen Chinesen betreiben. Die Angabe der Einwohnerzahl schwankt von 100-400,000. Die frühere Hauptstadt und der Bauart nach jener ähnlich ist Si-yo-thiya oder Juthia, auf einer Insel des Menam weiter im Innern.









Herders Conversations-Lexikon
Freiburg im Breisgau 1857, Band 5, S. 203.

Siam

Siam, von den Siamesen Thai genannt, Reich in Hinterindien, zwischen China, Birma, Britischindien, den Malayenstaaten Perak und Tringano, dem Meerbusen von S., Anam, besteht aus S. u. Cambodscha (1822 größtentheils verloren) und aus tributpflichtigen Fürstenthümern der Malayen u. Laos, wird zu 14000 QM. berechnet. Im Norden ist S. Hochland; 3 Gebirgsarme ziehen sich südl. bis an das Meer, zwischen denen sich die Thäler der mächtigen Flüsse Thalayn od. Salwen, Menam u. Cambodscha ausbreiten. Klima und Produkte sind die des tropischen Indien. Die E. sind etwa 5 Mill. S.esen, die sich Thai d.h. Freie nennen, mongolischer Abkunft, doch mit Hindu gemischt, 1 Mill. Chinesen, ferner Malayen, Laos, wenige Abkömmlinge portug. Kolonisten. Die herrschende Religion ist die buddhistische; die zahlreichen Priester heißen Talapoinen; die Christen, theils portug. Abkömmlinge, theils bekehrte Eingeborne, haben einen apostolischen Vikar. Die Regierungsform ist unbeschränkter Despotismus; der König, Kong tuang d.h. mächtiger Alleinherr genannt, wird als Halbgott verehrt. Hauptst. ist Bankok (s. d.). Die Talapoinen führen die Geschichte S.s bis in das 15. Jahrh. v. Chr. hinauf; im 7. Jahrh. n. Chr. wurde der Buddhismus eingeführt und herrschend, was aber die in Asien gewöhnlichen Thronrevolutionen nicht verminderte. Im 16. Jahrh. erhielten die Portugiesen einige Niederlassungen eingeräumt und die Erlaubniß das Christenthum zu verkündigen, sie wurden aber durch die arglistigen Holländer im 17. Jahrh. verdrängt, die sich auch gegen die Bemühungen Ludwigs XIV., der mit dem Hofe von S. eine Gesandtschaft wechselte, behaupteten. 1757 wurde S. von den Birmanen erobert, machte sich jedoch 1781 wieder frei; 1788 wurde Cambodscha Schutzstaat, 1822 aber theilweise an Cochinchina abgetreten. Chromchiat, ein Usurpator, eroberte 1829 Laos, 1831 den Malayenstaat Queda auf der Halbinsel Malacca, benahm sich gegen die Europäer feindselig, st. 1851. Der gegenwärtige König, ein Abkömmling der früheren Dynastie, scheint ein humaner und kluger Regent zu sein; er schloß 1855 mit England einen Handelsvertrag ab. (»Description du royaume de Thai ou Siam« par Pallegoix. 2 vol., Par. 1855.)







Pierer's Universal-Lexikon, Band 15.
Altenburg 1862, S. 942-945.


Siam  1

Siam,  Königreich in Hinterindien, von den Siamesen selbst Thai genannt, grenzt im Norden an die chinesische Provinz Yünnan, im Osten an das Reich Anam, im Süden an das Chinesische Meer u. den Golf von Siam, im Westen an Birma u. die britischen Besitzungen, begreift der Hauptsache nach das Flußgebiet des Menam u. besteht bei einem Areal von etwa 12,000 QM. außer dem eigentlichen S. aus einem Theil der Lao-Länder, einem Theil des ehemaligen Cambodscha-Reichs u. dem mittleren Theile der Halbinsel Malacca.[943] Während das eigentliche S. zum allergrößten Theile aus den Niederungen des Menamthales besteht, ist das im nördlichen Hintergrund gelegene Lao mehr od. minder Gebirgsland; zu beiden Seiten der Flußniederung erhebt sich Waldgebirge stufenförmig, das Cambodscha-Land bildet ein abgesondertes Tiefland, das Gebiet auf der Halbinsel Malacca ist Bergland. Von den Gewässern gehören dem Reiche außer dem Hauptstrom, dem Menam (der auf eine große Strecke schiffbar ist u. durch seine jährlichen Überschwemmungen für S. das ist, was der Nil für Ägypten), noch der Maykaung (im Cambodscha-Lande) u. im Westen als Grenzfluß der Salwen an. Das Klima ist ein tropisches, an der Küste u. im Tieflande, wo die Seeluft vorherrscht, auch für Europäer günstig, in den sumpfigen Districten an den Flüssen aber u. in den Wäldern herrscht Fieberluft; vom September bis März herrscht der Nordostmonsun, vom März bis September Südwestmonsun vor; der letztere bringt häufig Regen, jedoch meist nur bei Nacht. Die Fruchtbarkeit des Bodens ist sehr groß. Ungeheuere Waldungen bedecken das Land mit der Fächer-, Sago- u. Cocospalme, dem Theakbaum, dem Yackbaum (gelber Färbestoff), Mangrove-, Gummigutt-, Guttaperchabaum u.a.; es gedeihen die Banane, Ananas, Orangen, Citronen, Granatäpfel, Feigen, Mandeln; angebaut werden bes. Reis, Zuckerrohr, Thee, Baumwolle, Mais, Senf, Melonen, Koriander, Cardamum, Schwarzer Pfeffer, Yamswurzel u.a. Als Bodenschätze finden sich Gold, Silber, Kupfer, Blei, Arsenik, Zinn, Eisen, Topase, Hyacinthe, Granaten, Sapphire, Rubine, Achate, Bergkrystall u.a. Edelsteine. Außer den gewöhnlichen Hausthieren steht im Thierreich obenan der Elephant (auch weiße), ihm zunächst der Tiger, in mehren Arten, das Rhinoceros, der Bär, zahllose Affenarten, Elenn, Hirsche u. Rehe etc. In besonderer Menge erscheint das Geschlecht der Hühner u. Wasservögel; die Flüsse wimmeln von Krokodilen, unter den Insecten treten als giftige der Tausendfuß u. der Scorpion bes. zahlreich auf. Die Bevölkerung wird zu 6 Mill. angegeben, darunter eine bedeutende Anzahl Eingewanderter: Hindus, Araber, Birmanen, Anamiter, vor allen aber Chinesen, deren Zahl auf 11/2 Mill. veranschlagt wird, während die übrigen nur einen geringen Bruchtheil des Ganzen bilden. Auch die eingeborene Bevölkerung besteht aus verschiedenen Stämmen, deren jeder ein bestimmtes Gebiet des Reichs inne hat. Der herrschende Stamm, die Siamesen, 1,900,000, hauptsächlich zwischen 13° bis 20° nördl. Br., zu beiden Seiten des Menam u. an der Westküste des Meerbusens bis 7° hinab; die Lao, etwa 1 Mill., zu beiden Seiten der vorigen zwischen 13° bis 20° nördl. Br.; die Cambodschen an der Ostseite des Meerbusens, 1/2 Mill.; Malaien auf der Halbinsel Malacca, 1 Mill.; außerdem gibt es Mon u. Peguaner an der birmanischen Grenze, Karenen u. Lawa auf der Halbinsel Malacca, Ka im Gebirge zwischen Menam u. Maykaung, Chjong im gebirgigen Nordostwinkel des Meerbusens. Die Siamesen (Thai) gehören zur mongolischen Race, sind von untersetztem Körperbau, schlaffer Haltung, haben hellbraune Hautfarbe u. schwarzes Kopfhaar, welches nach Stirn u. Schläfen sehr weit vorgewachsen ist. Die Kleidung besteht in einem Stück, je nach Vermögen, Seiden- od. Baumwollenzeug, gewöhnlich von dunkler Farbe, welches um die Hüften geschlagen wird u. bei den Vornehmen bis auf die Knie herunterhängt, während die Niedrigeren es zwischen den Beinen durch nach hinten schlagen u. befestigen; ein anderes shawlartiges Stück Zeng, ebenfalls um die Hüften befestigt u. über die Schulter geschlagen, dient als Gürtel, Schweißtuch od. wohl auch als Kopfbedeckung. Von Mitte October bis zum Februar tragen Männer u. Frauen eine enge Jacke; die Reichen legen dazu noch einen seidenen Kaftan an; Alles geht barfuß, nur die Könige u. Fürsten tragen Sandalen; der Kopf wird bis auf einen kleinen Haarbüschel glatt geschoren. Vornehme tragen stets einen Sonnenschirm, Geringere selten; die Vornehmen lassen sich die Fingernägel lang wachsen u. die jungen Leute beiderlei Geschlechts färben die Nägel roth; die Zähne werden von Allen schwarz gebeizt; man liebt es sehr mit Ringen, Spangen u. dgl. sich zu schmücken. Ihre Wohnungen sind durchgängig einstockig u. stehen meist auf Pfählen; bei den Armen sind sie von Bambus, bei den Reichen von Bretern mit Ziegeldächern, bei den großen Kaufleuten wohl auch von Backsteinen aufgeführt. Ein großer Theil der Bevölkerung wohnt in schwimmenden Häusern. Die gewöhnliche Nahrung bildet Reis, Gemüse u. Obst; die Reichen essen aber auch viel Schweinefleisch, Wild, Geflügel, Schildkröten, Fische etc.; man ißt mit den Fingern u. bedient sich eines Perlmutterlöffels zum Nehmen der flüssigen Speisen. Man trinkt viel Thee, auch Arac; allgemein ist Betelkauen u. der Gebrauch des Tabaks, sowie der Genuß des Opiums. Die Siamesen sind von Natur gescheidt, anstellig, dienstfertig, unter ihres Gleichen wahrheitsliebend, zuvorkommend gegen Fremde, dabei aber zeigt sich Faulheit, Feigheit, Eitelkeit u. Hochmuth, Bettelei, Verstellung u. Lügenhaftigkeit nach oben hin; bes. hervorzuheben ist ihre Freundlichkeit gegen die Thierwelt. Bei Heirathen kauft der Bräutigam die Braut; die Ehe ist lediglich bürgerlicher Vertrag. Die Frauen achtet man gering; sie sind mit allen Feld- u. Hausgeschäften beladen, werden aber nicht gemißhandelt, nicht eingesperrt, müssen nicht verschleiert gehen. Vielweiberei ist gestattet, doch nur die erste Frau gilt als rechtmäßig u. nur die Kinder dieser Frau können Erben sein. Sprache: Siuanlo in verschiedenen Dialekten, s. Siamesische Sprache u. Literatur. Landesreligion ist der Buddhaismus (Gautamismus od. Kodamismus genannt, weil der Buddha in S. Gautama od. Kodama heißt), doch ist die Ausübung aller übrigen Culte gestattet; die Malaien sind Muhammedaner; christliche Missionäre, zumeist Katholiken, sind seit lange thätig, haben aber nur eine geringe Anzahl Anhänger. Die buddhistischen Priester (bei den Europäern Talapoinen, bei den Eingeborenen Phra genannt) leben zu Hunderten beisammen, bilden aber keine eigene Klasse, sind gelb gekleidet, in Kutten von Seide od. Baumwolle, mit einer rothen Tasche für Almosen u. einem Fächer aus Palmenblättern. Das Haupt ist geschoren. Jedermann muß sich vor ihnen verbeugen; jede Beleidigung gegen Priester ist Todesverbrechen, die Tempel sind Asyle. Sie sind frei von allen Staatslasten u. selbst der König kann sie nicht strafen. Frauenklöster gibt es nicht, wohl aber alte Weiber als Dienerinnen der Talapoinen, welche betteln. Auffallende Büßungen werden als Verdienst gerechnet, sind aber selten. Wallfahrten mit Absingen heil. Hymnen, Darbringen von Räucherwerk, [944] Früchten etc. finden Statt. Die Gesammtzahl der Phra wird auf 100,000 geschätzt. Unter ihnen besteht eine Rangordnung. Oberhaupt ist der vom Könige ernannte Sang charat; den zweiten Rang nehmen die ebenfalls vom Könige, welcher überhaupt an der Spitze des Religionswesens steht, ernannten Vorsteher der königlichen Watt, die Somdet-Chjao u. Rachjachana; auf der dritten Stufe stehen die Phra u. unter ihnen die Nen od. Samanen. Alles, was Erziehung heißt, ist in den Händen der Phra; die Unterweisung der Jugend beginnt erst mit der Mannbarkeit derselben. Die Leichen bedeutender Personen werden einbalsamirt, bis 12 Monate aufbewahrt u. endlich verbrannt. Das Verbrennen wird zur Seligkeit der Seele für unumgänglich gehalten. Nur Frauen, welche schwanger, od. an der Entbindung, od. Leute, welche plötzlichen Todes od. an den Blattern sterben, sowie Übelthäter, werden dieser Ehre beraubt, weil ihr Tod eine Sündenstrafe ist. Die Gebeine werden in Urnen aufbewahrt od. beerdigt u. kleine Pyramiden darauf gesetzt. Musik, Gebete, Waschen des Leichnams gehören zur Ceremonie. Ganz Arme wirst man ins Wasser. Freiwillige Verbrennungen von alten Männern finden Statt.
Die Regierungsform ist despotisch; an der Spitze des Reichs stehen zwei Könige, von denen der eine, als eigentlicher Träger der Reichsgewalt, die gesammte Verwaltung in Händen hält, während der andere, von dem ersten ernannt, nur den Oberbefehl über das Heer führt. Der erste König ist unumschränkter Herr über Leben u. Eigenthum aller seiner Unterthanen; in seiner Gegenwart muß Alles auf Knien u. Ellenbogen am Boden liegen; das Abzeichen seiner Würde besteht in dem Sawetrachjat, einem Gestell von 7-9 pyramidalisch über einander angebrachten Sonnenschirmen; der Name des Königs, bei der Krönung von den Brahmanen bestimmt, darf nie ausgesprochen werden. Der Thron vererbt sich meist an den erstgeborenen Sohn der rechtmäßigen Gemahlin. Die Beamten des Königs zerfallen in fünf Rangstufen; den höchsten Rang haben die beiden Oberstatthalter des nördlichen u. südlichen Landestheiles, den zweiten Rang nehmen der Palastverwalter, Großschatzmeister, Ackerbauminister, Oberhaupt der Trabanten u. Oberhaupt der Peguaner ein, dann kommen die Statthalter in den Hauptstädten der einzelnen Landestheile u.s.f. Jede Gemeinde hat einen Vorsteher. Die Ämter sind gewöhnlich erblich; zweimal in jedem Jahre wird der Amtseid erneut. Für die Rechtspflege existirt ein sehr umfangreiches Gesetzbuch, welches in ein Civil-, Straf- u. Handelsgesetzbuch zerfällt. Gerichtshöfe gibt es drei Arten: die der Statthalter, die der Prinzen u. den des Königs, welchem alle Sachen von Bedeutung zur Entscheidung vorgelegt werden müssen. Außer der Todes- u. Gefängnißstrafe werden auch beschimpfende Strafen verhängt, z.B. Futterschneiden für die Elephanten, od. das Ta-Wen, d.h. der zu Bestrafende wird mit Ketten belastet durch die Straßen geleitet u. muß unter Musikbegleitung sein Vergehen ausrufen. Die Sorge für die öffentliche Sicherheit ist gering, allein wenn ein Mord vorfällt, so sind die Bewohner der Häuser eines gewissen Umkreises für die Habhaftwerdung des Thäters verantwortlich; in Streit Gerathende werden ebenfalls von den Bewohnern der Nachbarhäuser sogleich getrennt. Die jährlichen Einkünfte des Königs werden auf 21-22 Mill. Thlr. geschätzt u. entspringen aus sechs Quellen: Zins der unterworfenen Fürsten; Steuern von Ackerboden, Gärten u. Baumpflanzungen; Abgabe für Gewährung der Alleinberechtigung zur Betreibung des Handels mit bestimmten Gegenständen; Binnen-, Durchgangs-, Ein- u. Ausfuhrzölle; Schiffsabgaben; Strafgelder u. Vermögensconfiscationen. Die Streitmacht zu Lande besteht in einem durch englische Offiziere eingeübten stehenden Heere von 10,000 Mann Infanterie u. Artillerie; im Kriege ist die gesammte waffenfähige männliche Bevölkerung dienstpflichtig, dabei muß jeder Mann sich selbst mit Waffen ausrüsten u. auf einen Monat mit Lebensmitteln versehen. Die Seemacht besteht aus 20 Kriegsschiffen: 4 Fregatten u. 16 Corvetten, nach europäischer Weise ausgerüstet, u. außerdem 500 Dschunken. Wie die Beamten sind auch alle übrigen Einwohner in fünf Klassen getheilt: die Soldaten; die Handwerker, welche in jedem Jahre 3 Monate lang für den König arbeiten müssen; Unterthanen, welche einen Tribut an Geld od. Naturalien zu zahlen haben; ebenso die vierte Klasse, welche zugleich den Prinzen u. hohen Beamten dient, u. die Sklaven, fast 1/3 der Bevölkerung, meist Kriegsgefangene od. von den Eltern verkaufte Kinder. In geistiger Beziehung sind die Siamesen von den unter ihrer Herrschaft lebenden Völkern abhängig. Ihre besten Schiffer sind Malaien; ihre Musiker, Tänzer u. Sänger gehören meist den Lao an; der Handel ruht ausschließlich in den Händen der Chinesen, auch den Bergbau leiten die Chinesen. Die einheimischen Gewebe, Färbereien u. Töpfereien stehen auf sehr niedriger Stufe, Baumwollen-, Seidenzeuge u. Porzellan werden aus China bezogen; Baukunst, Malerei u. Bildnerei befinden sich in den allerersten Anfängen, am besten sind noch Holzschneidekunst, Vergolden, Silber- u. Goldarbeiten vertreten. Der Stand des Handelsverkehrs entspricht nicht entfernt dem natürlichen Reichthum des Landes, obgleich unter dem jetzigen Könige (durch Handelsverträge, Zollerleichterungen etc.) die größten Anstrengungen gemacht werden ihn zu beleben. Die hauptsächlichsten Handelsartikel, welche S. aus Europa bezieht, sind Waffen, Munition, Kurzwaaren, Uhren, Glas u. Porzellan, Baumwoll- u. Wollwebereien, Regen- u. Sonnenschirme, Stahlwaaren etc. Die Ausfuhr besteht in Zucker, Zinn, Elfenbein, Eisen, Kokosnußöl, Bauholz, seinen Hölzern, Farbeholz, Reis u. Mais. Der Handel mit S. ist meist in den Händen der Engländer u. Amerikaner. Der Einfuhrzoll beträgt 3 Procent des Werthes. Als Verkehrsmittel bedient man sich der Münze. Scheidemünze bilden die Kauri (hier Bia genannt); die übrigen Münzen sind ringförmig in Kupfer, Silber u. Gold geprägt, auch gestempelte Glas- u. Schmelzstücke kommen vor u. die Regierung gibt auch Anweisungen aus. 200 Bia = 1 Phainung (etwa 3/4 Sgr); 2 Phainung = 1 Songphai, 2 Songphai = 1 Fuang, 2 Fuang = 1 Salung, 4 Salung = 1 Tikal (17 Tikal auf die Vereinsmark seines Silber, also 1 Tikal = 24 Sgr. 8 Pf. preuß.). Längenmaß. Die Einheit ist der Wa, Faden, Klafter) = 1,98 Mètres = 878 Par. Linien = 6,3 rheinl. Fuß; 1 Wa = 4 Sols (Cubits) à 2 Kab à 12 Niu à 4 Kabit (1 Kabit = 0,16 Zoll rheinl.); 20 Wa = 1 Sen, 100 Sen = 1 Juta (Jool, Yut, Roe-ning, Meile) = 12,600 rheinl. Fuß = 0,518 geographische Meile; 28,95 Juta auf[945] 1 Äquatorialgrad. Feldmaß. Der Quadrat-Sen hat 400 Quadrat-Wa. Für trockene Waare ist das Hohlmaß das Kojan = 20 Pikul = 100 Tang = 80 Sat; 1 Tang = 20 Chanan, 1 Sat = 25 Chanan, 1 Chanan = 1 Kokosnußschale, etwa 1/2 Quart. Gewicht. Das Catty = 1,209 Kilogramms = 2,418 deutsche Zollpfund; es zerfällt in 20 Tael à 4 Ticals à 16 Songphais, 50 Cattirs = 1 Pikul (Centner) = 60,48 Kilogramms = 120,9 Zollpfund, der Tical für Gold u. Silber = 15,29 Grammes = 236 englische Troygräns. Die Zeitrechnung rechnet in zwei Epochen, der heiligen (vom Tode Gautamas 543 v. Chr. an) u. gemeinen (beginnt 638 n.Chr.) u. theilt nach zwei Cyclen, dem großen von 60, dem kleinen von 12 Jahren; die Jahre haben Thiernamen, sind Mondjahre aus 12 Monaten, von 29 u. 30 Tagen, je nach 3 Jahren mit einem Schaltmonat von 30 Tagen; der Monat hat eine helle u. dunkle Hälfte nach den Phasen, in welchen die Tage bes. gezählt werden. Das Reichssiegel hat einen fliegenden Drachen; die Flagge ist roth mit goldener Sonne. Eingetheilt ist das Reich in vier Theile: das eigentliche S.; Cambodscha; die Laostaaten Chjeng-Mai, Lophyn, Lachon, Müang-Phre, Müang. Nan, Müang-Lom u. Lüang-Phrabang; die Malaienstaaten Königreich Ligor u. die Fürstenthümer Keddah, Patani, Kalantan u. Tringano. S. mit Cambodscha ist in 41 große Verwaltungsgebiete zerlegt, jedes unter einem Phaja; daneben gibt es noch etwa 20 Gebiete geringeren Umfanges unter niederen Beamten. Hauptstadt ist S. od. Siyothiya (s.d.) Vgl. De la Loubère, Beschreibung des Königreichs S., Nürnb. 1800; Finlayson, The mission to Siam and Hué, Lond. 1826; Crawford, Journal of an embassy to the courts of Siam etc., ebd. 1828; Gützlaff, Ausführlicher Bericht eines dreijährigen Aufenthaltes in S., Elberfeld 1834; von Middendorf, Reise in den äußersten Norden u. Osten von S., Petersb. u. Lpz. 1844 ff., 2 Bde.; Cottrell, S. nach seiner natürlichen Beschaffenheit etc. als Strafcolonie geschildert (aus dem Englischen von Lindau), Lpz. 1846; Syzama, Revelations of S., Lond. 1852, 2 Bde.; Neale, Narrative of a residence in Siam, ebd. 1852: Pallegoix, Description du royaume Thai ou Siam, Paris 1855, 2 Bde.; Bowring, The kingdon and people of S., Lond. 1857. 2) Meerbusen von S., Theil des Indischen Meeres, zwischen Malacca u. dem Reiche S., vom Cap Cambodscha im Osten bis zum Cap Patani im Westen, leidet wenig an Stürmen, Mai bis Juli aber an Windstillen, hat an der Küste 50 bis 60 Fuß Tiefe; eine Strömung in dem Busen geht October bis März von Norden nach Süden, in den übrigen Monaten entgegengesetzt; in dem Busen die Inseln Way (Pulo Way), Cambodschainseln u. Lorchin.




Siam 2

Siam (Gesch.). Die Geschichte von S. soll nach den mythischen Annalen des Reiches bis 1440 v. Chr. hinaufsteigen, gewiß ist, daß 638 n.Chr. der Buddhaismus eingeführt wurde, der damalige König wird Krek (Sammonacadan) genannt u. von ihm ab sollen bis 182460 Könige in S. regiert haben. Der Dynastien- u. Regentenwechsel war nirgends so häufig als hier, darum die Unsicherheit in der Führung der Annalen. Der Sitz der Regierung war in Lakontai, unweit der Grenze von Laos. Nach Andern war das Reich erst 750 (756) von Prapoat, einem indischen Häuptling gestiftet, der mit seinen Schaaren vor den Arabern, welche damals Indien verheerten, nach der Halbinsel jenseit des Ganges flüchtete. 1350 wurde die Residenz nach dem neu gegründeten Yuthia verlegt. In der Mitte des 15. Jahrh. entbrannte ein verheerender Krieg mit Pegu wegen eines aus Yuthia entwendeten Götzenbildes, in welchem S. mit Birma verbunden war. 1547 brachen mehre Nachbarvölker ein, doch wurden sie mit Hülfe von 180 Portugiesen, welche einige Zeit vorher, nach der Eroberung von Malacca, nach S. gekommen waren, vertrieben, wofür ihnen der König bewilligte Handel zu treiben u. das Christenthum in S. zu predigen. Nachdem der Friede von Außen hergestellt war, wurde das Reich durch innere Unruhen zerrüttet. Die Königin vergiftete ihren Gemahl, um der Strafe des Ehebruchs zu entgehen, dann ihren Sohn u. erhob ihren Buhlen auf den Thron. Das Volk ermordete aber denselben u. rief den Bruder des ermordeten Königs auf den Thron. Auch dieser hatte mit Empörungen zu kämpfen, was der König von Pegu, Para-Mandara, 1548 benutzen u. S. erobern wollte. 1567 überfielen die Birmanen aus Ava das Land u. blieben bis 1596 Herren desselben, wo ein vornehmer Siamese, Pramerit (Api-Radscha), sein Vaterland wieder frei machte u. noch Cambodscha, Lanjang u. andere Provinzen eroberte, die aber schon 1615 wieder verloren gingen. Pramerits Stamm wurde 1627 durch den Usurpator Chau Pasatong gestürzt. Unter dessen Regierung hatten sich die Holländer in S. eingefunden, auf deren Betrieb die portugiesischen Schiffe mit Beschlag belegt, u. als deshalb die Spanier dem Könige Krieg ankündigten, den Portugiesen der Zutritt zur Residenz des Königs untersagt wurde. Seitdem sanken die Portugiesen zur verachteten Klasse herab u. dienten nur noch als Dolmetscher, Unterhändler, Spione etc. Die Holländer dagegen gründeten 6 Comptoire in S.u. wußten sich so unentbehrlich zu machen, daß, als sie 1660 bei einem entstandenen Streit mit den Siamesen das Land zu verlassen drohten, der König nachgab u. sie zu bleiben bat. Der König Chau Noraga, Sohn des Vor., erlaubte 1663, auf Verwendung seines ersten Ministers (Prahklang), des Griechen Constantin Falcon, den französischen Missionarien, an deren Spitze Lamotte Lambert stand, in S. das Christenthum zu predigen, u. zu deren Unterstützung schickten König Ludwig XIV. u. Papst Clemens IX. 1673 eine eigene Gesandtschaft nach S. Diese wurde 1684 auf Veranlassung Falcons erwidert, welcher sich selbst auf den Thron von S. schwingen u. sich dazu des französischen Schutzes versichern wollte. Durch eine neue französische Gesandtschaft wurde 1687 ein Vertrag geschlossen u. den Franzosen die wichtigen Plätze Bangkok u. Mergui eingeräumt, welche sie sogleich befestigten. Die Besatzungen halfen zwar dem Könige einen Aufruhr der im Lande befindlichen Makassercolonie unterdrücken, machten sich aber durch ihre Anmaßungen verhaßt, wozu auch wohl die Aufwiegelungen der auf sie eifersüchtigen Holländer beitrugen. 1689 erregte der Mandarin Pitra Sena od. Ohra Petscharatscha einen Aufstand, ermordete den Thronfolger u. Falcon, schwang sich selbst auf den Thron, da der König aus Verdruß über jenes Ereigniß gestorben war, u. trieb die Franzosen aus S. Die Holländer waren nun Günstlinge der neuen Regierung u. seit 1690 gelangte ihr Handel zur höchsten Blüthe. Auch den Engländern gelang es in S. Factoreien anzulegen. Pitra Sena regierte bis 1700, doch konnte er das Reich zu keinem sonderlichen Wohlstand erheben,[946] weil die Einwohner durch langen Druck entartet waren. Sein Sohn u. Nachfolger war ein schwacher Regent, unter welchem der Wohlstand des Landes noch tiefer sank. Dessen Sohn ließ sich durch die in Cambodscha 1717 ausgebrochenen Unruhen zu einem Angriff auf dieses Reich verleiten, wurde aber geschlagen. Nach dem Tode dieses Königs 1733 gerieth das Reich durch die Thronfolgestreitigkeiten seiner Söhne in eine völlige Zerrüttung, welche den Untergang des Regentenhauses zur Folge hatte.

Alompra, König von Ava, griff das geschwächte S. an u. eroberte es. Da er aber noch in demselben Jahre starb, so wurde S. wieder frei. Schembuan, der dritte Kaiser des neuen Birmanenstaates, ließ S. aufs Neue durch seinen Feldherrn angreifen. Ein Engländer vertheidigte die Hauptstadt Yuthia lange mit gutem Erfolg; da jedoch die Siamesen so feig waren, daß sie nichts zu ihrer Rettung thaten, überließ er sie ihrem Schicksal, worauf Yuthia 1766 erobert u. geplündert u. die königliche Familie fortgeführt wurde. Bald darauf vertrieb aber ein Chinese die Birmanen u. wurde 1769 als Phaga-Thae (Pitak) auf den Thron erhoben. Er machte Bangkok zur Hauptstadt, vertrieb einen siamesischen Prinzen, welcher als Prätendent auftrat, u. 1771 die von Neuem einfallenden Birmanen. Plötzlich aber wurde er, der bisherige tapfere u. weise Fürst, ein Tyrann; da empörte sich wider ihn einer seiner Feldherrn, Chakri (Schakri), welcher in Cambodscha commandirte, ließ ihn 1782 hinrichten u. setzte sich selbst auf den Thron, starb aber bald darauf. Sein Sohn, Pierusing, nahm 1786 Cambodscha in seinen Schutz u. gerieth seit 1786 mit dem Birmanenkaiser in Krieg, führte aber denselben unglücklich u. mußte im Frieden 1793 alle Länder jenseit des Siamflusses an die Birmanen abtreten. Er regierte bis 1809; sein Nachfolger ließ sogleich 117 seiner Häuptlinge, welche durch Tapferkeit im Birmanischen Kriege sein Mißtrauen erregt hatten, hinrichten, dann aber regierte er mild; seine ganze Regierungszeit über währten die Kriege mit Birma fort u. 1822 wurde ein großer Theil von Cambodscha an Cochinchina abgetreten. Er st. 1824; sein Nachfolger Chrom-Chiat (Kroma Mon Tschit), Chakri's Urenkel, eroberte 1829 Laos u. ließ den dortigen König mit seiner Familie hinrichten. 1831 eroberte S. den Staat Queda auf der Halbinsel Malacca u. kam dadurch den englischen Besitzungen nahe. 1832 führte er mit Cochinchina Krieg wegen der Einsetzung eines Fürsten in Laos. Gegen seine Unterthanen war Chrom-Chiat ein Despot u. gegen die Fremden feindselig gesinnt. Der unmittelbare Verkehr mit den Europäern hatte bis dahin in S. selbst kein Leben gewinnen können, weil die Pächter des Monopols die siamesischen Handelsartikel in Singapur auf den Markt brachten, so daß die Nordamerikaner u. Europäer ihre Geschäfte mit S. fast nur über Singapur machen konnten, u. weil die Ausfuhr von Reis u. andern Erzeugnissen verboten war. Unter diesen Umständen konnte auch ein Handelsvertrag, welcher 1833 von dem nordamerikanischen Gesandten Robert mit S. zu Gunsten der Nordamerikaner u. Europäer abgeschlossen worden war, keinen sonderlichen Erfolg haben. In den Jahren 1849 u. 1850 schickten Nordamerikaner u. Engländer zur Verbesserung dieser Verhältnisse Gesandte nach S., aber vergeblich. Als der König Chrom-Chiat Anfangs 1851 bedenklich erkrankte, rieth ihm sein Premierminister keinen seiner 12 Söhne, welche sämmtlich illegitim waren, zu seinem Nachfolger zu bestimmen, sondern diese zu apanagiren u. die Krone auf einen Sprößling der verdrängten Dynastie zurückkommen zu lassen, doch der König starb am 3. April 1851 vor der Ausführung dieses Planes, u. nun rief der Premier, welcher inzwischen ein starkes Heer zur Unterstützung seiner Maßregeln gesammelt hatte, die Prinzen zusammen, nöthigte sie zur Entsagung u. ließ Khao-Fa als Somdet Phra Maha Mongkut zum König ausrufen. Die Großen des Reiches waren bei dieser Revolution ruhig. Der neue König zeigte sich den Europäern günstig, setzte im Hafen von Bangkok den Schiffszoll um ein Drittel herunter u. gab die Absicht zu erkennen das Zuckermonopol aufzugeben, den Ackerbau der chinesischen Einwanderer durch Ermäßigung der Abgaben zu befördern u. die Ausfuhr des Reises u. der werthvollen Hölzer freizugeben. Zu Anfang 1852 starb der König Mongkut wieder u. ihm folgte sein Bruder, welcher bisher ihm zur Seite gestanden hatte u. das gute Verhältniß mit den Engländern fortsetzte. Während des Krieges der Engländer mit den Birmanen (1852 u. 1853) schloß der König den Birmanen die siamesischen Häfen u. schickte Gesandte an die Engländer mit dem Anerbieten den Feldzug von S. aus zu unterstützen u. mit den Engländern einen Handelsvertrag abzuschließen. Die englische Regierung war bereit diesem letztern Wunsche zu entsprechen, um an die Stelle des Tauschhandels vermittels Singapur's einen unmittelbaren Handelsverkehr zu setzen. Außer dem Handel ließ der König auch den Missionären aller Glaubensbekenntnisse seinen Schutz angedeihen. Der Bischof von Mallos u. apostolischer Vicar von Siam, Pallegoix, überbrachte dem Papste am 10. Nov. einen Brief vom König von S., worin derselbe unter Anderem sagte, daß er zwar ein treuer Anhänger des Buddhismus sei, daß aber eine Christenverfolgung unter seiner Regierung nicht stattfinden würde. Am 3. April 1855 langte eine englische Gesandtschaft, John Bowring an der Spitze, im Bangkok an, u. bereits am 18. war ein für England vortheilhafter Handels- u. Schifffahrtsvertrag abgeschlossen. Nach demselben dürfen die Engländer durch das ganze Reich reisen u. Handel treiben, aber nur in einem Umkreise von 54 engl. Meilen um Bangkok sich niederlassen u. Land kaufen; englischen Schiffen sind Flüsse u. Häfen unter denselben Bedingungen, wie den einheimischen u. chinesischen, zugänglich; die freie Ausübung der christlichen Religionsbekenntnisse, der Gebrauch von Kirchen u. Gottesäckern ist gestattet; die früheren hohen Zölle sind abgeschafft u. dafür einer von 3 Procent auf eingeführte u. von 6 od. 7 Procent auf ausgeführte Güter festgesetzt; das Monopol der Regierung ist abgeschafft, die Engländer dürfen unmittelbar mit den Einwohnern handeln u. ein englischer Consul in Bangkok wohnen. Dieser Vertrag war seit dem April 1856 in Wirksamkeit getreten u. wurde von den Siamesen redlich ausgeführt. Der englische Handel mit S. hatte früher schon einen Werth von einer halben Million Pfund Sterling u. war bereits bedeutend gestiegen. Auch gewannen die englischen Handelsfahrzeuge durch die Eröffnung der siamesischen Gewässer. Im Laufe des Jahres 1856 fertigte auch die Nordamerikanische Union eine Gesandtschaft nach Bangkok ab, um gleich günstige Vertragsbestimmungen zu erlangen, u. die französische Regierung beauftragte ihren Handelsconsul zu Schanghaï mit einer gleichen Sendung, u. in den Jahren 1856[947] u. 1857 schlossen die Regierungen Frankreichs, Rußlands u. der Nordamerikanischen Union ebenfalls Freundschafts- u. Handelsverträge mit S. Bei der Ankunft des englischen Gesandten in Bangkok im Jahre 1855 fand derselbe, daß der König seinen jüngeren Bruder zum Mitregenten angenommen hatte. Beide zeichneten sich durch hervorragende Bildung aus; der ältere hatte unter der Leitung von französischen u. nordamerikanischen Missionären englisch u. französisch gelernt u. sich die europäische wissenschaftliche Bildung angeeignet. Dies war der Grund, weshalb er von Anfang seiner Regierung an strebte mit europäischen Regierungen in Verbindung zu treten. Aber auch im Innern war dieser Umstand nicht ohne Einfluß geblieben, wovon mehre Verbesserungen der öffentlichen Zustände u. Einrichtungen, im europäischen Geiste zur Ausführung gebracht, Zeugniß gaben. Die Könige schickten auch gegenseitig Gesandte nach Europa, um die Entwickelung des Handels in Bangkok zu befördern. In Folge dieser freundschaftlichen Beziehungen der Regierung von S. zu den Europäern hat sich der Verkehr außerordentlich gehoben; Bangkok ist bereits einer der bedeutendsten Handelsplätze Asiens geworden.








Siam

Siam, ein 12,000 Quadrat M. großes Königreich in Hinterindien (s. Ostindien), an Birma, Malacca und das chinesische Meer grenzend, größtentheils gebirgig, doch auch mit herrlichen, von schönen Flüssen, namentlich dem majestätischen Menam, durchschnittenen Ebenen, - ein blumen- und fruchtreicher, aber bei einer Bevölkerung von nur dritthalb Millionen Seelen, wenig angebauter Garten mit romantischen Felsenpartien, unter Indiens wundersamem, tiefblauem Himmel. Der herrschende Volksstamm sind die Siamesen, von kleiner Statur, kräftig gebaut, aber gänzlich der Grazie und Geschmeidigkeit entbehrend, durch welche sich andere Indier auszeichnen. Ihre Tracht ist ärmlich: sie besteht gewöhnlich in einem Stücke Seiden- oder Baumwollenzeug, das um die Hüfte drapirt wird, und die Beine unbedeckt läßt. Die Farbe der Kleidung ist braun; weiß bezeichnet die Trauer. Beide Geschlechter tragen weder Turban noch Mütze, und außerordentlich lange Nägel und schwarze Zähne gelten auch bei ihnen, wie bei den Chinesen, für eine vorzügliche Schönheit. Die Hautfarbe ist meist lichtbraun und bei den Frauen der höhern Stände wird der Körper durch den Gebrauch eines glänzend gelben Waschwassers[233] oft goldfarbig. Der Siamese hat nur eine rechtmäßige Gattin, darf aber so viele Nebenweiber halten, als er ernähren kann; auch hat er die Erlaubniß, die letzteren, sowie die Kinder, zu verkaufen oder zu verschenken. Die Hauptstadt des Landes und Residenz eines grausam-despotischen Königs, der den Titel »Herr der weißen Elephanten« führt, heißt Bankok.








Meyers Großes Konversations-Lexikon,
Band 18. Leipzig 1909, S. 411-414.



Siam

[411] Siam (wahrscheinlich = Schan, ferner Sayam Thai, Muong Thai, »Land der Freien«), Reich in Hinterindien (s. Karten »Französisch-Indochina« und »Hinterindien«), zwischen 4 und 203/4° nördl. Br. und 971/2-106° östl. L., begrenzt durch das britische Nieder- und Oberbirma im W. und N. (Schanstaaten), Französisch-Indochina im NO., O. und SO., den Meerbusen von S. und die unter britischem Schutz stehenden malaiischen Staaten im Süden, die Straße von Malakka im W., 634,000 qkm, einschließlich der zahlreichen der Küste vorgelagerten kleinen Inseln mit 4200 qkm Gesamtfläche, wovon 1400 qkm auf Tantalam, 2000 auf die Inseln an der Westküste der Halbinsel Malakka, 800 auf die im Golf von S. kommen. Nachdem im Vertrag vom 15. Jan. 1896 das Mekonggebiet als französische, das der malaiischen Halbinsel als englische Interessensphäre erklärt worden[412] ist, bleiben für S. nur 238,700 qkm als unabhängig garantiert (Pufferstaat). Das Land wird von mehreren von Norden nach Süd streichenden Gebirgsketten durchzogen, von denen die westlichste (höchster Gipfel Intanan 2576 m), in ihrem nördlichen Teil Tanelung Gji benannt, die Täler des Salwen und Menam trennt, während die das Gebiet des letztern Flusses von dem des Mekong scheidenden Ketten als Kao Donrek bis an diesen herantreten. Die Westgrenze wird vom Salwen berührt; der Menam fällt mit seinen Nebenflüssen ganz innerhalb des Landes; die Ostgrenze nach ihrer Festlegung von 1893 begleitet der Mekong, der hier den Nammun mit dem Namsi aufnimmt. Diese Flüsse haben bei dem Mangel an brauchbaren Straßen große Bedeutung für den Binnenverkehr, auch für die Landwirtschaft, da bei Hochwasser unzählige natürliche und künstliche Kanäle, namentlich des Menam, das Wasser mit seinem befruchtenden Schlamm auf die Felder verteilen. Außer der aus Flußschlamm bestehenden Küstenniederung ist das Land sehr gebirgig und setzt sich im N. wie auf der Halbinsel Malakka vorwiegend aus archäischen Gesteinen mit Granit und aus paläozoischen Tonschiefern, Sandsteinen und Kalksteinen zusammen. Die Mineralschätze des Landes sind reich und mannigfaltig. Bekannt sind Zinn in Alluvionen und im Granit, Waschgold in vielen Flüssen, Kupfer-, Antimon-, Zink-, Mangan- und Eisenerze, wahrscheinlich auch Quecksilber, ferner Kohle, auch Edelsteine an mehreren Orten. Die Goldmine von Kabin ist in englischem, die von Wattana in französischem Besitz. Zu ersterm gehören auch die Rubin- und Saphirminen von Tschantabun (Ausfuhr von Bangkok 1903 an Rubinen 198,160, an Saphiren 7320 Mk.). Außerdem besteht eine dänische Kupfermine in Tschantuk. Steinsalz findet sich südlich vom Mekong an der Nordgrenze; außerdem wird besonders das Salz der Steppe im Innern des Landes und aus dem Seewasser durch Verdunstung gewonnen, auch ausgeführt. Das Klima ist gekennzeichnet durch den Sommer-Südwestmonsun mit Regenzeit und den winterlichen Nordostmonsun mit allgemeiner Trockenheit. Bangkok: Jahrestemperatur 26,7°, kältester Monat Dezember 23,8°, wärmster April 28,6°, mittlere Jahresextreme 35,4° und 15,6°, jährliche Regenmenge 1490 mm, Maximum: September 380 mm, Minimum Dezember 20 mm. Die Fieber sind weniger gefährlich als in Bengalen und Java. S. hat namentlich im obern Teil dichte Wälder, die, zwar weniger reich an Palmen, doch wertvolle Bauhölzer liefern, wie den Tiekbaum (Tectona grandis, s. unten: Handel), und auch durch tropische Nutzpflanzen von hoher Bedeutung sind. Hier ist die Heimat des Pfeffers (Piper nigrum) und des Kardamom (Amomum), überraschend der Reichtum an Klusiazeen, darunter die Mangostane des Indischen Archipels (Garcinia Mangostana), deren Früchte für die schmackhaftesten aller Zonen gelten. Hauptkulturgewächs ist Reis in den Überschwemmungsgebieten des Menam. Als einem Teil der indochinesischen Subregion der orientalischen Region kommen S. alle Charaktertiere dieses Faunengebietes zu: Gibbons, Tiger, Bär, Binturong (Arctitis binturong), Wildschwein, Hirsche; besonders zu erwähnen ist der Nebelparder (Felis macroscelis), vor allem aber der Elefant, der sehr zahlreich und in weißlichen Individuen Gegenstand göttlicher Verehrung ist.
Die Bevölkerung wurde vor der Abtretung des Gebietes auf dem linken Mekongufer an Frankreich auf 12 Mill. geschätzt. Jetzt geben die neuesten Schätzungen 6,070,000 Einw. an, davon 1,766,000 Siamesen, 1,400,000 Chinesen, 1,350,000 Laotier, 753,000 Malaien, 490,000 Kambodschaner und Ana miten, je 130,000 Mons und Karen, 46,000 Schau und Birmanen, 5000 Europäer u. a. Die chinesische Bevölkerung wächst durch Zuwanderung von Kulis (1901: 29,709, Abwanderung 19,266) sehr schnell. Die Siamesen gehören mit den Lao (s. Laos), denen man auch die Miaotse in Südchina, die Asom in Assam und die Schau im nördlichen S. und in Ostbirma zurechnet, zu den Tai- oder Schanvölkern, die aus Innerasien, etwa aus der Ecke, wo der Brahmaputra seine Biegung nach W. macht, nach Süden einwanderten, und bilden somit einen Stamm der großen mongolischen Völkerrasse. Doch verraten sie in ihrem flachen, eckigen Gesicht und der Form des Schädels malaiische Blutmischung. Sie sind klein (1,57 m), aber wohlgestaltet, mit kurzem Hals, ausgesprochen brachykephal (Breitenindex 84, Höhe 87), olivenfarbig, haben etwas vorspringende Lippen, grobes, schlichtes, schwarzes Haar, das bis auf einen starken Büschel in der Mitte des Kopfes abrasiert wird, während die Männer auch den spärlichen Bart ausreißen. Die Zähne werden geschwärzt. Von Charakter sind die Siamesen sanft und geduldig, sehr gastfrei und höflich, aber ohne Unternehmungsgeist, dabei auch unterwürfig und lügnerisch, die Folge jahrhundertelanger Knechtung unter einem Despotismus.
Die Sprache ist wie die übrigen indochinesischen Sprachen einsilbig und isolierend und hat zehn Tonakzente (s. Isolierende Sprachen). Neben der gewöhnlichen Umgangssprache existiert eine »Palastsprache«, die sich von jener durch Umschreibungen der einfachen Wörter und besonders durch reichlichen Gebrauch der Sanskrit- und Pali-Lehnwörter unterscheidet, die in der Sprache stark vertreten sind. Grammatiken lieferten Pallegoix (Bangkok 1850), Ewald (Leipz. 1881) und Frankfurter (Bangkok 1900), ein Wörterbuch Pallegoix (1854; neu hrsg. von Vey, das. 1896), französisch-siamesische Wörterbücher von Lunet de Lajonquière (Par. 1904) und Cuaz (das. 1905); eine Grammatik zum Selbstunterricht mit Wörterbuch Wershosen (Wien 1892). Vgl. Steinthal, Charakteristik der hauptsächlichsten Typen des Sprach baues (Berl. 1860; bearbeitet von Misteli, das. 1893); Bastian, Über die siamesischen Laut- und Tonakzente (Monatsbericht der Berliner Akademie, 1867); Conrady, Eine indochinesische Kausativ-Dinominativbildung (Leipz. 1896). Die Schrift der Siamesen stammt von einem südindischen Alphabet ab. Die ziemlich reiche und mannigfaltige Literatur reicht nur bis in das 14. Jahrh., stützt sich in der Hauptsache auf die altindische und begreift Geschichte, Gedichte, Romane, Fabeln. Die in allen Pagoden zu findende Sammlung der in der Palisprache geschriebenen heiligen Bücher umfaßt 402 Werke in 3683 Bänden, die wissenschaftlichen Werke (Rechte, Medizin, Astronomie und Astrologie, Philosophie etc.) 200 Bände, Fabeln, Romane, Dramen etc. 2000 Bände.
Die Kleidung ist meist malaiisch-indisch (weite Beinkleider, kurze Jacken, turbanartige Kopfbedeckung), doch ist die eigentliche Urbekleidung der Languti (Schambinde). Die Füße bleiben nackt, nur Wohlhabende tragen Sandalen, Vornehme einen Sonnenschirm, die übrigen einen breiten Hut aus Palmblättern. Die Reichen der Hauptstadt haben europäische Kleidung und Sitten angenommen. Die Häuser stehen im Überschwemmungsgebiet auf Pfählen und sind aus Holz, Bambus etc., die Städte nach chinesischer[413] Art durch Zitadellen geschützt. Auch in Kunst, Gewerbe und Architektur schließt man sich chinesischen Mustern an. Vielweiberei ist unter den Wohlhabenden allgemein, doch nimmt die Frau hier eine mehr geachtete Stellung ein als sonst in Ostasien. Die Leibeigenschaft, unter der ein Drittel des Volkes leidet, soll allmählich abgeschafft werden, indem durch königlichen Erlaß von 1900 alle nach dem 16. Dez. 1897 gebornen Kinder frei erklärt sind. Adlige und hohe Würdenträger genießen fast königliche Ehre und Unbeschränktheit; ein arbeitsscheues Heer von Beamten saugt das Volk aus durch Steuern und Staatsfronen. Als Religion beherrscht der Buddhismus den Hof und die höhern Stände, die sämtlich einige Zeit im Kloster zubrachten, sowie das Volk in außerordentlichem Grade. Für den Unterhalt von 60,000 Priestern und 5000 Tempeln werden jährlich über 80 Mill. Mk. verausgabt; von jenen erteilen 3336 den dürftigen Elementarunterricht an 23,189 Schüler. Die katholische wie die protestantische (amerikanische) Mission hat nur geringe Erfolge gehabt, am meisten neuerdings noch in Laos (Hauptstation Tschiengmai). Außerdem sind 3000 Nachkommen portugiesischer Katholiken vorhanden; ein katholischer Bischof residiert in Bangkok.
Die noch immer unbedeutende Industrie, die zur Ausfuhr nichts beiträgt, ist fast ganz in den Händen der Chinesen und Europäer, so der Bau von Flußschiffen (auch Dampfern), Baumwoll- und Seidenweberei, Kleider- und Schuhwarenfabrikation, Herstellung der bis 15 m hohen Metallfiguren für die Tempel, von schönen getriebenen Gold- und Silberwaren etc. Außer zwei großen Schiffswerften und einem Elektrizitätswerk gibt es (meist in Bangkok) 61 Reisschälmühlen (3 in deutschem, 6 in englischem, 12 in französischem, 22 in chinesischem, die übrigen in siamesischem Besitz) und 13 Dampfsägewerke. Die Lao brennen viel Branntwein; Seidenraupenzucht wird namentlich im Südosten betrieben, von wo man jährlich für 400,000 Mk. Kokons ausführt. Die Fischereien lieferten 1905 für 1,574,153 Tikals Fische, die auch neben Reis die Hauptnahrung der Eingebornen bilden, zur Ausfuhr, außerdem für 447,385 Tikals getrocknete Miesmuscheln. Der überseeische Handel geht meist über Bangkok; 1905 betrug die Einfuhr 68,769,329, die Ausfuhr 103,130,699 Tikals, beide bewegen sich vornehmlich von und nach Singapur und Hongkong. Hauptausfuhrartikel sind: Reis 79,1, Tiekholz 14,1, Fische 1,6, Vogelnester 0,2 und Pfeffer 1,3, Stocklack 0,5, Seide und Sei den stosse 0,8 Mill. Tikals. Eingeführt wurden 1905: Gold 6,6, Baumwolle und Baumwollwaren 16,8, Lebensmittel 4,8, Säcke 3,5, Metalle und Metallwaren 3,4, Maschinen 1,5, Zucker 3,3, Opium 2,6, Seide 2, Petroleum 2,1, Alkohol 1,8 Mill. Tikals. An der Einfuhr sind Großbritannien mit 17,4, Deutschland mit 4,6 Proz. beteiligt, doch geht von der deutschen Einfuhr auch viel über Singapur. Der Handelsverkehr zwischen Nordsiam und Birma wurde 1904 zu 3,179,600 Mk. in der Einfuhr, zu 4,696,400 Mk. in der Ausfuhr (Tiekholz, Elefanten, Vieh) bewertet. Auch findet ein beträchtlicher Handel mit den Schanstaaten und mit Yünnan statt. Die Schiffahrt hat in den letzten Jahren, wie der Fremdhandel, stetig zugenommen. In Bangkok liefen 1905 ein: 754 Schiffe mit 685,294 Ton. (15,185 T. Segelschiffe); davon entfielen auf Deutschland (Norddeutscher Lloyd) 390,685 T. (57 Proz.), auf Großbritannien 115,055 T., auf Norwegen 126,183 T.; europäische Segelschiffe und kleine Dampfer dienen dem Personenverkehr an der Küste; auf dem Menam ist eine englische Dampferlinie eingerichtet. Eine Eisenbahn von Bangkok über Ajuthia nach Korat (288 km) ist 1900 eröffnet worden; eine Linie im Menamtal, die dann nach Tschiengmai abzweigen soll, war 1906 bis Utaradit fertig; eröffnet wurden ferner die Eisenbahnen Bangkok-Petschabnri (154 km) 1903, Bangkok-Tatschin (32 km) 1905; eine Sekundärbahn führt von Bangkok nach Paknam (26 km); im Betrieb waren 1905 etwa 560 km Staats- und 40 km Privatbahnen. Die Telegraphen (von Bangkok nach Saigon, Maulmain, Tschiengmai, Penang u. a.) haben eine Länge von 4640 km; drahtlose Telegraphie besteht mit der Insel Kohai im Golf von S. Die Post verbindet alle Hauptplätze mit Bangkok und weiter durch Dampfer mit Singapur und beförderte 1902 durch 153 Ämter 1,581,017 Briefpostsendungen. Zum Weltpostverein gehört S. seit 1885. In den entlegenen Landesteilen bedient man sich noch buntfarbiger Glas-, Email- und runder Porzellanstücke sowie der chinesischen Käsch und der Schlangenkopfmuscheln (Bia) zu Zahlungen; seit 1875 in Europa geprägte Bronze- und Nickelmünzen haben jene Geldsurrogate und die Zinkmünzen von 1/2 Paï ersetzt. Die 1903 nen eingerichtete Münzstätte prägt hauptsächlich Silbermünzen mit Halbteilungen des Bat oder Tikal zu 64 Att = 15,1338 g Sollgewicht, die 60 Cents des mexikanischen Dollars gleich gerechnet wurden, bis die Regierung 1902 die freie Silberprägung aufhob und zunächst 20 Tikals = 1 Pfd. Sterl. setzte. Der Umwechselungsfuß ward allmählich verbessert und nähert den Tikal dem Rupienwert. Noten fremder Banken verdrängte das gegen Landesmünzen stets einlösbare Papiergeld zu 5,10,20,100 und 1000 Tikals. Aus Silber werden gefertigt: 1 Tikal, 1/4 (Salung), 1/8 (Fuang) aus Kupfer: 4 Att (Song Phai), 2 (Pahi, Pie, Sio), 1, 1/2 (Solot). Maße und Gewichte: 1 Wah zu 2 Ken von 2 Sok = 1,98 m. 1 Than oder Korb = 20 Khanan oder Inhalten einer Kokosnuß von reichlich 0,5 Lit. 1 Hap oder Haï hat 50 Tschang Tai (Xâng) von 1,21 kg, 1 Tschang = 20 Talyn oder Tömlöng (engl. tam-lung) von 4 Bat.
Die Staatsform ist die einer absoluten Monarchie unter der von Chakri 1782 gestifteten Dynastie. Dem König steht in der Regierung ein Kabinett (Senabodi) von Ministern, als welche meist Halbbrüder und Söhne des Königs fungieren, und in der Gesetzgebung seit 10. Jan. 1895 ein Gesetzgebender Rat von 51 Mitgliedern zur Seite, der im Fall vorübergehender Unfähigkeit der Krone Gesetze auch ohne deren Zustimmung veröffentlichen darf. Das Königtum ist in beschränkter Weise erblich, indem fast stets der älteste Sohn des Königs durch den Ministerrat und die alten Prinzen der vier höchsten Rangklassen zum Nachfolger gewählt wird. Das Reich wird in 41 Provinzen geteilt, die tributpflichtigen Staaten (Lao- und Malaienstaaten) werden aber von ihren eignen Fürsten (Radschas), meist unter Aussicht von Kommissionären, regiert. Die Europäer und Amerikaner genießen alle Privilegien der Exterritorialität bei voller Bewegungsfreiheit. Engländer, in neuester Zeit auch Deutsche, befinden sich in einflußreichen Stellungen. Eine Zeitung. der »Bangkok Recorder«, erscheint in englischer und siamesischer Sprache. Die Finanzen (unter einem englischen Berater) stehen außerordentlich günstig. Die Einkünfte sind vornehmlich Opiumsteuer (7 Mill. Tikals), Alkoholsteuer (3,7 Mill.), Lotterie- und Spielsteuer (4,5 Mill.), Land- und Fischereiabgaben (4,3[414] Mill.), Zölle (4,8 Mill.), Forsten und Minen (2 Mill.), Posten, Telegraphen und Eisenbahnen (1,6 Mill.), Kopfsteuer (4 Mill.) und betrugen 1905/06: 53 Mill., die Ausgaben 52,873,083 Tikals. 1905 wurde zum erstenmal eine Anleihe (von 20 Mill. Mk.), hauptsächlich zum Eisenbahnbau, aufgenommen. Die Armee zählt im Frieden 5000 Mann, doch beträgt die Dienstzeit nur 3 Monate. Im Kriegsfall sollen 10-12,000 von europäischen Offizieren eingeübte Truppen zur Verfügung stehen. Von der allgemeinen Wehrpflicht gibt es zahlreiche Ausnahmen. Vorhanden sind 90,000 Gewehre und eine Anzahl Geschütze. Die Gendarmerie ist von einem französischen Offizier organisiert worden. Die Flotte besteht aus zwei 1891/92 erbauten Kreuzern mit 19 Geschützen und 7 Kanonenbooten mit zusammen 10,000 Mann. Dazu kommen noch 40 kleine Fahrzeuge für den Küsten- und Flußdienst. Neuerdings ist eine Marineinfanterie von 15,000 Mann nebst Reserven gebildet worden. Über die Orden vgl. die »Übersicht sämtlicher Orden« (im 15. Bd.). Das Wappen (s. Tafel »Wappen IV«) zeigt einen Schild, der durch einen sogen. Deichselschnitt in drei Felder zerlegt ist; oben in Gelb ein dreiköpfiger weißer Elefant, rechts unten in Rot ein weißer aufgezäumter Elefant, links in Rosa zwei gekreuzte Dolche. Die Handelsflagge ist rot mit weißem Elefanten (s. Tafel »Flaggen I«), die Flagge der Kriegsschiffe aber mit aufgezäumtem, auf einem Postament fußenden Tiere. Haupt- und Residenzstadt ist Bangkok (s. d.).
[Geschichte.] Die Jahrbücher des Reiches datieren von 638 n. Chr., d. h. von der Einführung des Buddhismus als Staatsreligion und dem Beginn der Ära, wonach in S. die Zeiten bestimmt werden. Die Residenz lag damals am obern Menam im Laoland, ward aber vor den aus Nordwesten nachdrängenden Birmanen immer weiter nach Süden, 1350 nach Ajuthja (jetzt Krungkao, 100 km von der Mündung des Menam entfernt) verlegt. Mit China wurde ein freundschaftliches Tributverhältnis unterhalten; dagegen war S. vom 14.-17. Jahrh. in stetem Krieg mit Birma (Pegu), zeitweise mit Malakka begriffen. Im Innern folgte Revolution auf Revolution; von 1556-79 kam infolgedessen S. in die Gewalt von Birma. 1657 schwang sich Konstantin Phaulkon aus Kephallinia zum Leiter des Reiches empor und schuf viele gute Einrichtungen. Unter ihm empfing König Ludwig XIV. von S. 1684 eine Gesandtschaft; Frankreich erwiderte sie 1685-88 unter Entsendung von Jesuiten und einer Flotte mit 500 Mann Landungstruppen, denen 1687 der Hafen Bangkok übergeben wurde. Phaulkon und sein Anhang wurden aber 1689 ermordet, die Franzosen 1690 vertrieben. 1767 wurde S. vom König von Ava verwüstet, 1768 aber dessen Heer von dem Chinesen Phayatak vertrieben, der, ursprünglich Gouverneur der Nordprovinz, sich selbst auf den Thron setzte, Bangkok zur Residenz erhob und durch seinen General Tschakri ermordet wurde. Dieser ward 1782 Begründer der noch heute regierenden Dynastie. Eine Schreckensregierung führte Phendingkang 1809-24; Palastrevolutionen kennzeichnen die Regierung seines Nachfolgers Crom Tschiat. 1852 trat Maha Mongkut die Regierung an; er belebte den Verkehr und suchte den Bedrückungen des Volkes zu steuern. Handelsverträge kamen zustande: mit England 1855, mit Frankreich 1856, mit Deutschland 7. Febr. 1862, mit Österreich 1868. Am 1. Okt. 1868 bestieg Paramindr Maha Tschulalongkorn (s. Tschulalongkorn) den Thron; er zeichnet sich durch fleißige Anteilnahme an den Regierungsgeschäften aus und ist mit Erfolg bemüht, sein Land auf eine höhere Stufe der Kultur zu heben. 1893/94 veranstaltete er eine 39bändige Jubelausgabe des »Tipitaka« (der kanonischen Schriften des südlichen Buddhatums) und eröffnete im Oktober 1905 die 1881 begründete Bajirajan-Bibliothek in Bangkok der freien Forschung. Das Deutsche Reich unterhält in Bangkok einen Generalkonsul. Die traditionelle französische Freundschaft erhielt einen Riß, als 1890 Frankreich auf Grund seines Protektorats über Anam den Mittellauf des Mekong beanspruchte. Daß S. allmählich immer mehr in Abhängigkeit von Französisch-Indochina geriet, bewies schon der Vertrag vom 3. Okt. 1893 (Aufgabe des östlichen Mekongufers); daran änderte der englisch-französische Vertrag vom 15. Jan. 1896 (Verbürgung der Integrität von Mittelsiam) sehr wenig. S. fühlte sich übervorteilt und versuchte zäh, eine Revision des Vertrags von 1893 durchzusetzen; besonders drehte sich der Streit um das von Frankreich besetzte Tschantabun. Letzteres erlangte S. 7. Okt. 1902 durch Opferung der Provinzen Meluprei und Bassak sowie des Gebiets am Tonlésapsee. Doch die französische Kammer zögerte mit der Bestätigung des Vertrags, der auch von S. erst 19. Mai 1905 ratifiziert wurde. Ende März 1907 wurde zwischen S. und Frankreich ein weiterer Gebietsaustausch vereinbart, wonach letzteres gegen Landentschädigungen (Krat und Dansai) und Aufgabe französischer Gerichtsbarkeit die ehemaligen drei Kambodschaprovinzen Battambang, Siemreap und Sisophon erhielt. Vgl. de La Loubere, Description du royaume de S. (neue Ausg., Amsterd. 1713, 2 Bde.); Pallegoix, Description du royaume Thaï ou S. (Par. 1854); Bastian, Die Völker des östlichen Asien, Bd. 3 (Leipz. 1867); Rosny, Ethnographie du S. (Par. 1885); Chevillard, S. et les Siamois (das. 1889); Grindrod, Siam, a geographical summary (Lond. 1892); Conrady, Die! frühe! Geschichte der Siamesen (Beilage zur Allgemeinen Zeitung 20. und 21. Nov. 1893); Fournereau, Le S. ancien (Par. 1895); Young, The kingdom of the yellow robe (2. Aufl., Lond. 1900); Ehlers, Im Sattel durch Indochina (4. Aufl., Berl. 1896); H. W. Smyth, Fife years in S. (Lond. 1898, 2 Bde.); v. Hesse-Wartegg, S., das Reich des weißen Elefanten (Leipz. 1899); Emil Schmidt im 2. Bande von Helmolts »Weltgeschichte« (das. 1902); Campbell, S. in the XX. century (Lond. 1902); P. A. Thompson, Lotus land. Account of the country and the people of Southern S. (das. 1906). Über die alten Baudenkmäler s. Angkor.



 
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